Schon bald geisterten Landkarten Österreichs durch das Internet1, die nahezu das ganze Bundesgebiet blau einfärbten. Wie das? Für jede Gemeinde wurde die Farbe anhand des stimmenstärksten Kandidaten entschieden: Blau wurden jene Gemeinden in denen Hofer führte, Grün jene von Van der Bellen. Ein paar andere Farbkleckse gab es auch noch für die übrigen Kandidaten.
Im Beispiel ist ersichtlich, dass sich -- abgesehen von ein paar grünen Inseln -- Österreich in ein blaues Meer verwandelt hatte. Dieser Form der Darstellung haften jedoch einige ziemlich deutliche Fehler inne:
- Ignorieren der Briefwahlstimmen
- Winner takes it all
- Ignorieren der Wahlbeteiligung
- Fläche ungleich Bevölkerungsdichte
In Summe führen diese Darstellungsfehler dazu, dass vollkommen unberechtigt Österreich gleichmäßig blau eingefärbt wird und der Bevölkerung so eine Eindeutigkeit vorgegaukelt wird, die so einfach nicht stimmt. Freilich hat Hofer die erste Runde der Wahl gewonnen, aber deswegen ist Österreich noch lange nicht blau.
Wie blau ist Österreich nun wirklich?
Im Folgenden eine Aufarbeitung und Behebung der eingangs angesprochenen Fehler der Originalkarte. Dargestellt werden die Ergebnisse von Hofer (blau) und Van der Bellen (orange)2. Orange wurde deshalb gewählt, da es zu Blau eine Komplementärfarbe ist -- im Gegensatz zu Grün. Zu den beiden Extremfarben wird Weiß gemischt werden, das die Unsicherheit des Ergebnisses aus unterschiedlichen Gründen darstellt.
Ignorieren der Briefwahlstimmen
Die Originalkarte stellt nur jene Stimmen dar, die in den Wahllokalen abgegeben wurden. Die Briefwahlstimmen -- es waren rund 640.000 Wahlkarten ausgegeben worden -- wurden nicht berücksichtigt. Zum einen deshalb, da diese am Wahlsonntag noch nicht gezählt worden waren. Zum anderen liegen diese auch nur auf Bezirks- nicht aber auf Gemeindeebene vor. Da aber BriefwählerInnen traditionell nicht blau wählen, ist dies eine erste Fehlerquelle.
Hier nun eine Karte Österreichs, die auch die Briefwahlstimmen berücksichtigt. Da diese eben nicht auf Gemeindeebene vorliegen, erfolgt die Darstellung grober auf Ebene des politischen Bezirks. Blau sind jene Bezirke in denen Hofer die absolut meisten Stimmen erzielen konnte, Orange jene in denen Van der Bellen obsiegte. Die Farbe Weiß für die Unsicherheit kommt hier noch nicht vor.
Winner takes it all
Die in der Originalkarte gewählte Art der Darstellung schlägt eine Gemeinde immer dem Gewinner zu, unabhängig davon wie stark der Vorsprung tatsächlich ist. Dies, obwohl das österreichische Wahlrecht dafür überhaupt keine Basis bietet. Während andere Länder durchaus auch das Winner takes it all-Prinzip kennen, ist dies Österreich vollkommen fremd. Hierzulande wird strikt proportional gewählt, auch wenn das bei einer Bundespräsidentenwahl nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dadurch entsteht jedoch der Eindruck, Gemeinden würden homogen wählen. Dem Fehlschluss der ecological fallacy wird damit Tür und Tor geöffnet. Viel besser geeignet wäre eine Darstellung, die das Verhältnis der Stimmen zueinander berücksichtigt.
Um diesen Fehler zu beheben, wird das Verhältnis der Hofer und Van der Bellen-Stimmen zueinander dargestellt. Je blauer ein Bezirk, desto größer der Anteil der Stimmen für Hofer, je oranger, desto mehr haben für Van der Bellen votiert. Je heller die jeweilige Farbe ist, desto geringer ist die Deutlichkeit des Ergebnisses: die Farbe Weiß wird hinzugemischt. In weißen Bezirken liegen Hofer und Van der Bellen nahezu gleich auf.
Ignorieren der Wahlbeteiligung
Ein weiteres Manko der Originalkarte ist das Ignorieren der Wahlbeteiligung. Wenn aus der Karte, wie oftmals nahegelegt, geschlossen werden soll, dass die Einstellung der Bevölkerung "blau" sei, so ist diese jedoch auch von essentieller Bedeutung. In der folgenden Darstellung wird daher das Verhältnis der Hofer und Van der Bellen-Stimmen noch mit der Wahlbeteiligung gewichtet. Je ausgeprägter die Farbe ist, desto höher lag auch die Wahlbeteiligung in dem Bezirk. Weiß wird nun zusätzlich die Farbe der NichtwählerInnen.
Fläche ungleich Bevölkerungsdichte
Schließlich, und das ist ein Fehler der häufig bei Kartendarstellungen passiert, bekommen Flächen eine Bedeutung. Flächen haben in der Geographie und beispielsweise der Landwirtschaft durchaus Bedeutung: die Dichte der Bewaldung kann sinnvoll auf einer Fläche dargestellt werden. Für Wahlergebnisse eignet sich diese Darstellung aber nur bedingt. Jedenfalls muss die Bevölkerungsdichte berücksichtigt werden. Das Land ist ja nicht mehr blau, nur weil flächengroße aber bevölkerungsarme Bezirke blauer gewählt haben. Und da weite Teile Österreichs nur spärlich besiedelt sind, kommt diesem Faktor einige Bedeutung zu.
Zum Abschluss also eine Darstellung, die all diese Fehler bereinigt. Nach wie vor, je blauer ein Bezirk, desto deutlicher das Votum für Hofer. Je mehr Weiß in der Farbkodierung enthalten ist, desto geringer die Wahlbeteiligung und desto geringer die Bevölkerungsanzahl.
Österreich ist also immer noch großteils blau, aber das Blau liegt in unterschiedlichsten Schattierungen vor, und es dominiert das Weiß der NichtwählerInnen und der bevölkerungsarmen Gebirgstäler. Gänzlich verschwunden ist auch das Artefakt der Vorarlberger GrünwählerInnen im Westen.Update
Wie in den Kommentaren kritisch angemerkt, hatte sich ein kleiner Fehler eingeschlichen -- Bezirke die gänzlich von anderen umfasst sind, wie zB Graz von Graz-Umgebung umfasst wird, hat die Farbdarstellung nicht ganz gepasst. Das wurde jetzt korrigiert. Danke für die Hinweise.Fußnoten
1: Stellvertretend für die zahlreichen Darstellungen, wurde diese, ohne Quellenangabe, von Liza Ulitzka auf Facebook geteilt. Eine weitere Darstellung, allerdings auf Bezirksebene findet sich im Standard. Bezugnehmend auf derartige Darstellungen verfasste auch Hans Rauscher im Standard einen Kommentar dazu.2: Zugrunde liegt der Betrachtung das vorläufige amtliche Wahlergebnis. Das Kartenmaterial wurde unter einer CC-BY-Lizenz von der Statistik Austria zur Verfügung gestellt.